Seit Mitte 2013 begehen m.h. und t.w. schweigend die Grüne Grenze der Schweiz, d.h. sie laufen so genau wie möglich entlang der Linie, die anscheinend dieses Land definiert. Es ist eine Linie, welche 6 Länder trennt und die ungefähr alle 100 Meter mit einen Grenzstein markiert wird. Die Künstlerinnen, die beide bereits früher mit und über Landesgrenzen gearbeitet haben, interessieren sich bei diesem Projekt insbesondere für die scheinbare Nichtigkeit und die unspektakuläre Einfachheit, welche diese Grenze landschaftlich gesehen zeigt. Die historische und gegenwärtige Bedeutung offenbart sie nicht von sich her, was durch sie faktisch zerteilt wird, bleibt offen. Dadurch ergeben sich verschiedene künstlerisch erfahrbare Dimensionen, nicht zuletzt das Körperliche, das die Künstlerinnen in diese Grenzatmosphäre selber einbringen.
Aus dieser Arbeit ist ein Archiv von Filmmaterial entstanden, das dem Betrachter einerseits die Zeitlichkeit dieser Linie in Etappen vorführt, durch die Montage der Kamera andererseits aber auch ein ungewohntes Sehen erlebbar macht. Denn die Kamera wird bei jedem Walk auf einen vor Ort gefundenen Ast so montiert, dass, in die Höhe gehalten, der Fokus doch fortwährend auf dem Erdboden verbleibt. Dadurch wird das gewohnte Verständnis von Topografie aufgehoben und entgegen der Blickerwartung entsteht nach und nach ein neuer Raum. Die Filmdokumente zeigen das künstlerische Abtasten, Sondieren und Erforschen der Landschaft – in den ausschnitthaften Bildern kollidieren Kultur und Natur, werden verschiedene Nutzungen angedeutet, allerdings nur bruchstückhaft und ohne Kontext. Das Gebiet selbst bleibt dem Betrachter unzugänglich und ist geographisch nicht zu erkennen. Dadurch aber dokumentieren die Künstlerinnen eindrücklich eine Grenze des Dokumentarischen selbst. Spannend ist dabei, dass diese vage Linie, die als Grenze scheinbar etwas zu Unterscheidendes trennt, durch den spezifischen Kamerablick plötzlich aufgehoben und zu etwas Drittem und Neuem wird. Stichworte wie Raum, Landschaft, Grenzziehung, Zeit und Narration, sowie die Themen von Körper, Kontrast und Dokumentation sind die für die Künstlerinnen die wichtigen Anhaltspunkte, welche dieses audiovisuelle Archiv, das auf unterschiedliche Arten gezeigt bzw. entdeckt werden kann, charakterisieren.
«So weit ich mich erinnere, definiert Gloria Anzaldua die Grenze nicht als Ort oder als Raum zwischen Diesseits und Jenseits, der Subjektivierungen ermöglicht: Sie denkt sie als eine Linie, die sich zu einem Nicht-Raum erweitert, ein gewaltsames Aufeinandertreffen von Kräften verschiedener Kulturen, Historizitäten, Identitäts- entwürfen und Materialitäten. Ihre schmerzhaften und gewaltbeladenen Dimensionen werden in Borderlands durch die verwebenden Prozesse einer imaginären Figur durchquert: der Heilerin /Curandera, die das Grenzland (borderland) mit ihrem Körper vereint. Die Teilung verliert so ihre Ordnung, Erosionen setzen ein, Kontraste und Gegenüberstellungen werden aufgelöst, andere und vielfältigere Legierungen werden möglich.» (schreibt Yvonne Wilhelm in Bezug auf unsere Arbeit)
In der Ausstellung werden zusätzlich Tonspuren gespielt, Fragmente, welche sich zum Begriff Grenze verhalten. Die Betrachterin kann dabei hören, was sich dem Kamerablick sozusagen verweigert, sich nur in Räumen jenseits des rein Visuellen ereignen kann – und erfahren, was dadurch im Imaginären ensteht.